Brikada - Magazin für Frauen

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Drama in der Familie von Bestsellerautorin Waris Dirie

24.06.2010

In ihrer eigenen Familie spielt sich ein Drama ab: Waris Diries sechs Nichten im Alter von drei bis elf Jahren sind akut von Genitalverstümmelung bedroht. Waris Dirie hält sich bei ihnen in Äthiopien auf, um das Schlimmste zu verhindert. Die leidenschaftliche Kämpferin gegen die weibliche Genitalverstümmelung, auf englisch Female Genital Mutilation (FGM) setzt ihre weltweite Bekannheit als ehemaliges Starmodel internationaler Modemarken ein, um aufzuklären und ein Umdenken einzuleiten.

Momentan sehe sie keinen anderen Weg, um ihre Nichten vor dem furchtbaren Verbrechen zu bewahren, als sie kurzfristig nach Europa zu bringen bis sie in Afrika an einem sicheren Ort untergebracht werden könnten, teilt ihr Verlagshaus Droemer mit. Seit mehreren Wochen wartet sie in Äthiopien auf die notwendigen Papiere und Visa, permanent behindert von europäischen Regelungen und schwer fälligen afrikanischen Verwaltungssystemen.

Wie fühlen Sie sich in dieser Situation?
Natürlich ist die Situation sehr schwierig und für mich persönlich sehr emotional. Ich werde absolut alles tun, um meine Nichten vor einer Verstümmelung zu bewahren. Die aktuelle Situation ist ein gutes Beispiel dafür, wie extrem schwer es ist FGM auszumerzen. In Europa werden die Menschen – jene inbegriffen, die FGM praktizieren - sich der mit FGM verbundenen Gefahren mehr und mehr bewusst. Wenn es aber um die eigenen Töchter geht, sieht die Sache dann leider anders aus. Es scheint ein viel größerer Schritt zu sein, im Einzelfall innerhalb der Familie NEIN zu FGM zu sagen als sich abstrakt über die Gefahren zu äußern.

Die Politik in Europa hat bislang nicht viel zustande gebracht. Nicolas Sarkozy hat Sie zum Ritter der Ehrenlegion ernannt, was aber auch nichts nützt. Was konkret sollte denn geschehen?
Politiker können helfen, indem sie FGM für illegal erklären. Es ist sehr sehr wichtig, FGM gesetzlich zu verbieten. Doch die Verfolgung von Verstößen bleibt ausgesprochen schwierig. Noch schwieriger ist der Schutz von Kindern, die von FGM bedroht sind. Ich habe für mein Buch "Schmerzenskinder" dazu weitreichend in Migrantenkreisen und Familien recherchiert. Das war mit vielen Hindernissen verbunden und erforderte viel Ausdauer. Es kann aber dabei helfen, in Europa Gesetze auf den Weg zu bringen, die FGM verbieten. Es ist so wichtig, dass die Allgemeinheit das Problem erkennt, dass das Problem bekannt wird und dass auch noch so kleine Zeichen, wenn ein Kind von FGM bedroht ist, wahrgenommen werden.

Wie können wir konkret helfen?
Ich bin natürlich sehr dankbar für jede Spende, egal wie gering sie auch sein mag. Weil jede Spende zeigt, dass die Menschen sich das Problem bewusst machen und meine Arbeit anerkennen. Im allgemeinen bitte ich die Menschen, die mich unterstützen wollen, immer wieder über FGM zu sprechen und diese grausame Verstümmelung anzuprangern. Je mehr die Menschen darüber Bescheid wissen, desto wacher werden sie gegenüber Hinweisen und Zeichen sein, wenn ein Kind davon bedroht ist. Das ist extrem wichtig, nicht nur in Afrika, sondern überall in der Welt.

Eine Lösung ist also schwierig.
Ja. Ich suche immer noch nach einer Lösung hier in Äthiopien und ich bin offen und dankbar für jeden Vorschlag und jede Hilfe, die ich bekommen kann. Mein größter Wunsch und meine derzeit größte Aufgabe ist es, meine Nichten von der sehr akuten Bedrohung einer FGM zu beschützen und auf lange Sicht für ihre Bildung und Ausbildung zu sorgen, damit sie eine bessere Zukunft erleben mit Freiheit, Unabhängigkeit. Damit der Gedanke, ihre eigenen Töchter verstümmeln zu lassen, ihnen niemals kommt!

Anmerkung der Redaktion: Die Menschenrechtsverletzung FGM wird nicht nur in Afrika immer noch unter dem Mäntelchen der Tradition praktiziert. Kleinen und kleinsten Mädchen werden ohne Betäubung und ohne hygienische Vorkehrungen brutal die äußeren Geschlechtsmerkmale abgeschnitten. Viele überleben das nicht. Teilweise werden die Kinder zugenäht, so dass nur eine kleine Öffnung zum Urinieren und für die spätere Menstruation bleibt. Auch in Westeuropa und in Deutschland wird diese "kulturelle Tradition" tausendfach praktiziert, die Dunkelziffer ist hoch.

Waris Dirie ist selbst von FGM betroffen. In Weltbestsellern "Wüstenblume", "Schmerzenskinder" und "Schwarze Frau, weißes Land" und mit der von ihr gegründeten Waris-Dirie-Foundation kämpft sie gegen gegen die Menschenrechtsverletzung an.
Doris Losch