Brikada - Magazin für Frauen

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AMYNA: Sexuellem Missbrauch in Institutionen vorzubeugen!

09.03.2010

Durch die in den letzten Wochen gehäuften Berichten von Opfern vor allem aus katholischen Internaten ist die Öffentlichkeit sensibilisiert, bezieht die Vorfälle bedauerlicherweise jedoch fast nur auf die Vergangenheit.

AMYNA arbeitet seit vielen Jahren mit Institutionen, die sexuellem Missbrauch durch MitarbeiterInnen vorbeugen wollen und hilft bei der Entwicklung und Einführung von strukturellen Präventionselementen in das Konzept und den Alltag von Einrichtungen. Den Mitarbeiterinnen des Instituts ist klar, dass Missbrauch in katholischen Internaten und zahlreichen weiteren pädagogischen Einrichtungen kein Problem der Vergangenheit ist.

"Gut wäre es, wenn jetzt vor allem von Seiten der katholischen Kirche schnell ein Signal ausginge, dass eine Aufdeckung auch durch derzeit Betroffene von sexueller Gewalt erwünscht und gewollt ist" so Rudolf-Jilg, eine der Mitarbeiterinnen des Instituts. "Es ist ein Irrglaube, davon auszugehen, dass es heute nicht auch zahlreiche Fälle in den Einrichtungen gibt. Gerade die aktuell Betroffenen benötigen aber unsere Hilfe und Unterstützung, vor allem auch die Aufmerksamkeit und Ermutigung, dass sie gehört werden und ihnen geglaubt wird." Übrigens, so Frau Rudolf-Jilg, werden zwischen 10 und 15 Prozent aller sexuellen Übergriffe in Deutschland von Frauen an Kindern und Jugendlichen begangen – wie aus einer entsprechenden Untersuchung hervorgeht.

Wichtig sei es sicherlich, AnsprechpartnerInnen innerhalb der Institution und durch die Institution zu benennen, vor allem aber sei es wichtig, dass aktuell Betroffene dazu ermutigt werden, sich auch an externe, unabhängige Beratungsstellen mit der Bitte um Hilfe zu wenden. Von den Einrichtungsleitungen ist ein konsequenter Wille zur Offenheit gefordert, vor allem aber die eindeutige Parteilichkeit an der Seite der Betroffenen zu stehen.

Sexuellem Missbrauch in Institutionen vorzubeugen, verlangt nach den Erfahrungen von AMYNA, Institut zur Prävention von sexuellem Missbrauch, in der Regel eine passgenaue Überarbeitung des Einrichtungskonzepts. Eine universelle Lösung für alle pädagogischen Einrichtungen, wie von Ministerin Schavan am Wochenende in Form eines Runden Tisches und gemeinsamer Regeln für pädagogische Einrichtungen gefordert, belässt deutliche Sicherheitslücken für die TäterInnen.

Beispiele für sinnvolle Präventionsmaßnahmen von Trägern pädagogischer Einrichtungen sind z.B. neben dem obligatorischen, häufig leider nicht sehr aussagefähigem Führungszeugnis, eine besondere Sorgfalt bei der Personalauswahl, ein Verhaltenskodex, der von allen MitarbeiterInnen unterschrieben wird, sowie die Entwicklung so genannter "Schutzvereinbarungen", die genau auf die Arbeit der Einrichtung zugeschnitten sein müssen und die ein besonderes Augenmerk auf all die Situationen richten, in denen es zu besonderer Nähe kommen kann. Schutzvereinbarungen sollen einerseits Kinder und Jugendliche vor Missbrauch, andererseits PädagogInnen vor einem falschen Verdacht schützen.

Einige Beispiele für mögliche Schutzvereinbarungen eines (katholischen) Internats:
- keine Geschenke von einzelnen MitarbeiterInnen an Kinder bzw. Jugendlichen, weil dies Abhängigkeiten schafft, die ausgenutzt werden können
- kein gemeinsames Duschen bzw. Umkleiden mit Kindern und Jugendlichen
- keine Fotos von Kindern und Jugendlichen
- bei vertraulichen Gesprächen gilt das Prinzip der offenen Tür bzw. des Sichtkontaktes zu einem weiteren Erwachsenen
- keine Geheimnisse mit Kindern und Jugendlichen
- Kinder und Jugendliche werden nicht in den Privatbereich mitgenommen

Die Einführung eines Beschwerdemanagementsystems für Kinder und Jugendliche bei Verstößen gegen diese Schutzvereinbarungen mit Benennung einer externen Beschwerdestelle ist ebenso wichtiges Präventionselement wie die Information von Eltern über die Möglichkeit, sich bei Verdachtsmomenten an eine benannte interne oder externe Stelle wenden zu können.

Die Einführung von strukturellen Präventionselementen muss im Gegensatz zu individuellen Fortbildungsangeboten der Prävention vom jeweiligen Träger für die gesamte Einrichtung erwünscht sein und von der Leitung getragen werden. Dann stellen sie jedoch einen wirksamen und nachhaltigen Schutz für Kinder und Jugendliche vor sexuellem Missbrauch durch MitarbeiterInnen der Einrichtung dar.

Alle Träger pädagogischer Einrichtungen, egal ob kirchlich oder nicht, dies muss betont werden, unterliegen im Übrigen in erster Linie dem Auftrag des Kinderschutzes und erst in zweiter Linie dem Schutz der MitarbeiterInnen.

Weitere Informationen:
www.amyna.de
www.sicherewiesn.de

(Die Links wurden am 09.03.2010 getestet.)