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Tin Kho: "In England müssen Federgestecke riesengroß sein"

18.09.2008

Alle Welt staunte, als Camilla mit einer extravaganten Hutkreation vom Star-Putzmacher Philip Treacy zum Standesamt erschien. Doch die Wenigsten wussten damals, dass das krönende I-Tüpfelchen, ein umwerfend apartes Federgebilde in Weiß, von Tin Kho aus München stammte.

Wir besuchten Tin Kho in ihrem Atelier im Münchner Norden. Die chinesisch-stämmige Künstlerin wurde in Plumpang Indonesien geboren, absolvierte 1963 in Malang das Abitur und ging nach München, um Innenarchitektur zu studieren. Hier lernte sie ihren Mann, Dipl.-Ing. Peter Kho, kennen und lieben, der – welch schicksalhafter Zufall! - ebenfalls aus Malang stammt, zur gleichen Zeit am gleichen Gymnasium das Abitur machte – ohne das sich die Beiden dort jemals begegnet wären.

Anfangs finanzierte die Wahlmüncherin Tin Hwa Kho das Studium mit ihren handwerklich hergestellten Federgestecken. Als ihre Kinder zur Welt kamen, hörte sie auf zu studieren und widmete sich der Erziehung ihres Nachwuchses. Dennoch, ihre handwerkliche Kreativität gab sie dabei nie auf, sondern fertigte zunächst in einer kleinen 3-Zimmer-Wohnung mit winziger Werkstatt so ganz "nebenher" weiterhin federleichte Blütenträume. Damit war sie so erfolgreich, dass ihr Mann seine Arbeit aufgab und die organisatorisch so notwendigen Hintergrundsarbeiten wie Versand, Buchhaltung, Messebeschickung etc. übernahm – eine bis auf den heutigen Tag bestens funktionierende Arbeitsteilung!

Rückblickend bezeichnet Frau Kho das Jahr 1972 als Höhepunkt der Nachfrage für ihre Federgestecke, die schon damals das Flair von Exklusivität an sich hatten. Doch im Laufe der Zeit lies das Interesse nach. Während es mittlerweile Anbieter von Seiden- und Papierblumen wohl nicht mehr gibt, gelang es Frau Kho, sich mit ihrer ungewöhnlichen Kreativität und handwerklichem Geschick als Exklusivanbieterin für Federgestecke am Markt erfolgreich zu behaupten.

Übrigens, übersetzt man die beiden Vornamen von Frau Kho, könnte man an "berufliche Vorsehung" denken; denn "Tin" bedeutet "selten" und "Hwa" heißt "Blume". Immerhin begeistert die "Seltene Blume" ihr Leben lang ihre Mitmenschen mit so selten gewordenen und einzigartigen (Feder-)Blumen!

Mittlerweile zählen zur Familie Kho drei erwachsene Kinder – alle mit "gestandenen" Berufen - und vier Enkelkindern. Ob aber eines von ihnen das handwerkliche Talent der Großmutter Tin geerbt hat und vielleicht sogar in ihre Fußstapfen treten wird, bleibt abzuwarten.

Wir besuchten Tin Kho in ihrem Betrieb im Münchner Norden, der seit 2008 unter dem Namen "Royal-Federblumen" firmiert. Dort, in ihrer Werkstätte, einer Geheimnis umwobenen Alchimistenküche gleich, mit Elektro-Öfchen, Tiegeln und Farbtöpfen, mit Zangen, Scheren und Schnitzmesserchen, mit Bändern und Drähten – arbeitet die Federblumen-Künstlerin an ihrem Arbeitstisch täglich von etwa 16 Uhr bis weit nach Mitternacht. Mit höchst handwerklicher Perfektion und sicherem Gespür für Ästhetik lässt Frau Kho aus schlichten Federn bunte Blütenträume erstehen. Vor Ort präsentiert sie mehr als 150 Modelle, jedes für sich betrachtet ist ein Unikat, voller Eleganz und Liebreiz.

Wie kamen Sie auf die Idee, Federblumen zu fertigen?
Federblumengestecke ist eine Kunst aus China. Es war schon immer ein Hobby von mir. Anfangs verkaufte ich hier in München kleine Einzelgestecke an Warenhäuser und Blumenläden. Das lief so gut, dass ich mein Hobby zum Hauptberuf machte.

Welche Materialien und welches Handwerkzeug verwenden Sie, um ihre Feder-Kreationen zu fertigen?
Zuerst einmal benötige ich Federn, beispielsweise von Reihern, Fasan, Wildenten und Straußen. Zudem verwende ich kostbaren Blütenstaub, Drahtstiele zum Stabilisieren des Federschmucks sowie alle möglichen Arten von Klebstoffen. Vor allem beim Kleben muss ich mich besonders konzentrieren, da darf ich nicht gestört werden, sonst ist alles kaputt. Natürlich verwende ich Scheren – ich habe etwa 120 Stück – und das Färben der Federn ist zudem ein besonders aufwändiger Arbeitsvorgang.

Wie präparieren Sie die Federn, bevor Sie sie zu Gestecken anfertigen?
Die Federn werden zunächst in der Maschine gewaschen, wenn sie weiß sein sollen, auch gebleicht, und dann in einem speziellen Trockner getrocknet. Je nach Bedarf schneide ich die Federn mit der Schere in die unterschiedlichsten Formen, etwa zu ovalen oder spitz zulaufenden Blattformen, oder ich schneide die Federn beidseitig vom Stiel in kleine Dreiecke. Auch verwende ich beispielsweise Stiele von Straußenfedern, die ich glatt rasiere und danach wie Schmuckband mit einer Schere zu arabesken Formen kräusele.

Wenn man sich hier so umsieht, entdeckt man nicht nur unglaublich schöne Federblumen, sondern auch viele aparte Farbnuancen. Wie machen Sie das?
Alles, was Sie hier sehen, sind meine eigenen modischen Kreationen. Auch kann ich diese Federgestecke je nach Kundenwunsch färben. Der Vorgang des Färbens – nun, das wurde mir im Traum gesagt. Sie lachen vielleicht darüber, aber ich empfinde es wirklich so. Das ist ein Gottesgeschenk! Die Art der Federfärbung, die Wahl der passenden Farbnuancen – darin liegen die Stärken meiner Arbeit begründet. Eine Feder in vier bis fünf Farben zu färben – das kann nicht jeder!

Woher beziehen Sie Ihre Federn?
Bei Federn handelt es sich ja um Schlachtabfälle von Federvieh, die wir jahrelang von Schlachthöfen bezogen hatten. Doch dort wird mittlerweile nicht mehr von Hand sondern maschinell gerupft - mit der Folge, dass die Federn gebrochen sind und ich sie nicht mehr gebrauchen kann. Gott sei Dank haben wir damals kräftig alte Bestände aufgekauft, so dass wir noch über viele, viele Jahre gut mit Federn versorgt sind.

Welche Farben und welch modische Machart sind derzeit angesagt?
Besonders beliebt sind jetzt die Farben Lila und alle Pastelltöne. Hochaktuell ist momentan die so genannte Machart "Minoshe". Das sind geklebte Feder, die wie das seidenweiche Federunterkleid bei Vögeln aussieht. Es ist eine sehr diffizile Handarbeit und erfordert viel Geduld und besonders präzises Arbeiten.

Wo kann man Ihre Federblütenträume bewundern?
Vor einigen Jahrzehnten war das Nachfrageinteresse von Kunden aus aller Welt so groß, dass wir jährlich acht- bis neunmal auf Messen in Deutschland mit einem Stand vertreten waren. Da die Zugkraft der Messen nachgelassen hat, setzen wir verstärkt auf den Online-Verkauf unserer Federblumen.
Wir besuchen die jährliche Heim+Handwerk-Ausstellung in München und stellen ebenso auf der Mut zum Hutschau in Neuburg an der Donau aus, in diesem Jahr vom 26. bis 28. September. Ebenso zeigen wir Online unserer Produkte. Und natürlich können Interessenten nach telefonischer Voranmeldung zu uns in den Betrieb kommen.

Wie unterscheidet sich der deutsche Markt vom Ausland?
Wir verkaufen unsere Federblumen zu 80 bis 90 Prozent nach England. Vor allem trägt man besonders ausladende, phantasievollen Hüte beim Pferderennen im berühmten Ascot, aber auch in Saudi-Arabien hat man viel Sinn für ausgefallene Hutkreationen. In beiden Ländern ist man in modischer Hinsicht wesentlich aufgeschlossener als in Deutschland. Während hier bei uns die Federgestecke so klein wie möglich sein sollen, müssen sie in England mindestens halb so groß wie der ganze Hut insgesamt sein. Großen Zuspruch für unsere Federgestecke erfahren wir aber auch aus Österreich, Italien sowie Rußland, den USA und Australien.
Das Gespräch führte Brigitte Karch

Weitere Informationen:
www.asia-federblumen.com

Bild: Tin Hwa Kho. Foto: Brigitte Karch

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