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Galerie Handwerk: Erico Nagai - Mittlerin zwischen den Kulturen

12.06.2008

Inspirationen fliegen ihr in vielen Momenten zu: Beim Betrachten der Pompondahlien im sonnendurchfluteten Garten, beim zufälligen Blick aus dem Zugfenster auf gestapelte Rohre, beim Schneiden von Melonen an einem heißen Sommertag. Die japanische Künstlerin Erico Nagai verbindet in ihren Goldschmiedearbeiten japanische und westeuropäische Kulturen auf einmalige Weise.

Symbolisch würdigt die Kammer damit das Motto "Brücken bauen" des 850. Stadtgeburtstags, denn Erico Nagai verschmilzt japanische, europäische und sogar orientalische Ästhetik. Weil Japan keine Tradition der Schmuckherstellung in unserem Sinn mit Ketten, Ringen, Armbändern etc. kennt " die überreich verzierten Gewänder machten Schmuck überflüssig " hat sie im Grunde den Schmuck neu erfunden. Ihre Broschen, Ringe und Ketten faszinieren in Form und Material und vor allem in der Aussagekraft. Zu jedem Stück erzählt die Künstlerin eine Geschichte. Das Sechseck, ein altes japanisches Glückssymbol findet sich in einem Ring wieder. Das in einer Brosche verwendete Dreieck gilt im "Land der aufgehenden Sonne" als positive Energie gegen alles Schlechte. In einem ihrer Ringe greift sie das Motiv eines Kathedralenfensters auf, in einem weiteren Ornamente der orientalischen Zauberwelt der Alhambra in Granada.

Zu den originellsten Kreationen zählen die "Röhren-Ringe", gearbeitet aus winzigen aneinander gelöteten Röhrchen, die den Eindruck einer wellenbewegten Oberfläche erwecken und sich auf die Rundungen von drei Fingern auflegen können. Die Idee dazu kam Erico Nagai, als sie im Zug auf dem Weg nach Zürich am Gelände einer Baustoffhandlung vorbeifuhr, die Betonröhren gestapelt hatte.

Als sie einmal im Hochsommer eine besonders schöne und runde Melone als Erfrischung anrichtete, beschloss sie, die Kugelform künstlerisch einzusetzen. Wobei die Kugel für Erde oder Kosmos stehen kann " oder ganz einfach für ein wunderbares Schmuckobjekt. So entstand die Kugel-Edition der ganzen, aber auch der zerschnittenen Kugeln. Aus einer Kugel hat sie beispielsweise 16 Broschen und 16 Paar Ohrschmuck geschnitten (Gold 900, Silber).

Faszinierend sind ihre Ringe, die mit dem Licht spielen. Das Spiel von Licht und Schatten berührte die zierliche Japanerin schon als Kind. Sie setzt es um in einer Brosche, die, sieht man direkt darauf, scheinbar mit schimmernden roten Steinen besetzt ist. Entfernt man sich ein wenig, scheinen die Steine plötzlich kristallklar. Das Geheimnis: Bergkristalle, unterlegt mit winzigkleinen Feueropalen. Aber an diesem Ring gibt es " wie an allen Werken " noch viel mehr zu entdecken, so das feine 900-er-Goldornament und den Japanlack.

Japanlack ist eine Leidenschaft Erico Nagais. Japanlack wird aus dem Urushi-Baum hergestellt und ähnelt in der Konsistenz dem Gummi des Gummibaumes. Natürliche Pigmente geben dem Lack die verschiedenen Farbschattierungen. Gemeinsam mit einem berühmten Lackmeister hat sie eine ungewöhnliche Technik entwickelt: Lack wird unmittelbar auf Silber und Gold aufgebracht. Durch die roten und schwarzen Lacke schimmert der Goldgrund von Brosche, Ohrschmuck, Halsschmuck. Was jedoch den Reiz nur unzureichend beschreibt.

Eine weitere Passion ist Stoff. In der Ausstellung sind einige wunderbare Stoff-Schmuck-Installationen zu bewundern. Die kostbaren Bahnen aus Seide, Leinen, Bananenfasern sind exklusiv für Erico Nagai von einem berühmten japanischen Farbmeister eingefärbt worden. Eine Installation vereint eine eindrucksvolle Broschen-Dreiheit mit deckenhohen Stoffbahnen im Wert von mehreren Tausend Euro. Die Broschen schimmern effektvoll je nach Lichteinfall und Blickwinkel " in Wahrheit sind die "Brillis" winzige Tröpfchen von Japanlack.

Ergänzt wird die Ausstellung von Gold- und Silberschmiedearbeiten aus Japan und Europa, Keramik, Lack, Papier und Textilien japanischer Meister. Ein eigener Bereich ist den Schülerarbeiten des Workshops für Goldschmiede der Akademie für Gestaltung in München gewidmet.

Über die Künstlerin:

Erico Nagai wurde 1947 in Tokio geboren. Ihr Vater ist ein berühmter Pianist, ihre Mutter eine berühmte Geigenspielerin. 1968 kommt die junge Studentin nach München und schreibt sich " als bis dato erste Japanerin " an der Münchner Akademie der Bildenden Künste zum Malereistudium ein, wechselt aber dann in die Klasse des bedeutenden Gold- und Silberschmieds Franz Rickert. Zahlreiche Preise würdigen ihre Arbeiten, so der Bayerische Staatspreis, der Designpreis der Landeshauptstadt München und der Herbert Hofmann-Preis. Seit 1994 ist sie eine der wichtigsten Dozentinnen der Akademie für Gestaltung der Handwerkskammer für München und Oberbayern. Sie konzipiert und leitet an der Akademie heiß begehrte Workshops für Goldschmiede. Erico Nagai lebt in München und ist mit einem Münchner Architekten verheiratet.
Doris Losch

Weitere Informationen:
www.hwk-muenchen.de

(Der Link wurde am 12.06.2008 getestet.)

Bild: Erico Nagai. Foto: Galerie Handwerk